Herr Poulsen, warum sind Sie ausgerechnet Baurechtsanwalt geworden?
Kay Poulsen: Oh Mann (lacht), das hat sich so entwickelt. Als Berufsanfänger kam ich im Zuge von Restitutionsverfahren für US-amerikanische Unternehmen mit Grundstücksentwicklung in Berührung. Ich fing an, mich mit dem öffentlichen Baurecht und vorhabenbezogenen Bebauungsplänen zu beschäftigen. Die wurden umgesetzt, es wurde gebaut und es mussten Verträge her – und schon war ich mittendrin im Baurecht. Was mich dann wirklich angefixt hat, war der gesamte Ablauf eines Bauprojekts: angefangen von der Planung über die Umsetzung, die Beschaffenheit des Bodens, das Zusammenspiel der Gewerke. Das hat mich schon in meiner ersten Station als Anwalt begeistert und so bin ich bis heute dabeigeblieben.
Haben Sie das Baurecht oder hat das Rechtsgebiet Sie gefunden?
Wir haben uns aufeinander zubewegt und ich habe mir das Rechtsgebiet aktiv erschlossen. Ich erinnere mich da an ein Großmandat, für das ich mich seinerzeit drei Tage in ein Hotel eingeschlossen habe. Im Gepäck hatte ich zwei Bücher, einmal den Werner/Pastor, den ich heute noch sehr liebe, und den Ingenstau/Korbion, eine Kommentierung der VOB. Ich wollte die Probleme des Mandats sauber nachvollziehen und verstehen. Das war damals praktisch der einzige Weg, denn es gab weder baurechtliche Fortbildungen noch den Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.
Wie beim Schachspiel müssen Sie alles im Blick behalten, voraus oder auch mal um die Ecke denken, um so die richtige Strategie zu entwickeln. Das finde ich spannend und es macht mir bis heute richtig Spaß.
Können Sie das Baurecht weiterempfehlen?
Ja, unbedingt (lacht), sonst wäre ich doch nicht schon mehr als 25 Jahre dabei. Mich fasziniert die Kombination aus juristischer und technischer Genauigkeit. Nehmen Sie zum Beispiel die VOB/B. Die hat 18 Paragrafen, aber mehrere Tausend Seiten Kommentierung. Das ist reines Case-Law. Da brauchen Sie für jeden Schritt und für jedes Komma Gerichtsurteile. Auch die technischen Normierungen und die gesetzlichen Rahmenbedingungen wie die Landesbauordnung oder die HOAI ändern sich ständig. Da müssen Sie sehr präzise arbeiten, um eine gute Lösung für ein Problem zu finden. Wie beim Schachspiel müssen Sie alles im Blick behalten, voraus oder auch mal um die Ecke denken, um so die richtige Strategie zu entwickeln. Das finde ich spannend und es macht mir bis heute richtig Spaß. Dazu trägt sicher auch die Tatsache bei, dass ich als Fachanwalt etwa 99 Prozent meiner Mandate auf Stundenbasis abrechnen kann.
Müssen Sie in Ihrem Job gut bluffen können?
So würde ich das nicht nennen. Sie müssen Abläufe und Szenarien schlüssig darstellen können und Ihr Gegenüber von der Sinnhaftigkeit überzeugen, sodass dieses von seinem Standpunkt abrückt und sich auf Ihren Vorschlag einlässt. Das ist kein Bluff, sondern eine Verhandlungsstrategie, die auf einer präzisen Herleitung und herausgearbeiteten Fakten basiert.
Sind Sie vor Gericht aufgeregt? Wenn ja, wie gehen Sie damit um?
Aufgeregt war ich höchstens ganz am Anfang. Inzwischen mache ich über 100 Präsenztermine vor Gericht im Jahr. Da rege ich mich höchstens noch über den Richter auf, der vom Baurecht keine Ahnung hat (lacht). Früher war das ein echtes Problem, vor allem bei Gerichten im Umland. Inzwischen hat sich das aber erheblich gebessert und Sie haben in allen Landgerichten Kammern für Bausachen.
Aus welchem Fehler haben Sie am meisten gelernt? Inwiefern?
Viele unterschätzen die allererste Verhandlung, bei der sie noch die Möglichkeit haben, sich zu vergleichen. Wenn Sie sich auf solche Termine lieblos vorbereiten, vergeben Sie eine wichtige Chance. Genau das ist mir früher mal passiert. Ich war nicht gut vorbereitet und hatte einen riesengroßen Nachteil übersehen. Gerettet hat mich die Gegenseite, die den für sie sehr vorteilhaften Vergleich widerrufen hat. Das ist ein typischer Anfängerfehler, der zum Glück schon lange zurückliegt und mir danach nie wieder passiert ist.
Welche Ihrer persönlichen Eigenschaften hilft Ihnen im Beruf am meisten?
Ich kann um die Ecke denken oder auch um zwei oder drei. Auf der Suche nach Lösungen entwickele ich Ideen, die nicht unbedingt auf der Hand liegen. Ein Beispiel: Eine Frau behauptet, sie würde immer wieder Gerüche in ihrem Haus wahrnehmen. Auf der Suche nach Alternativtatsachen haben wir Raumluftmessungen gemacht und einzelne Substanzen identifiziert. Deren chemische Formeln habe ich im Internet recherchiert – und bin auf Massageprodukte gestoßen, mit denen der ältere Ehemann der Dame regelmäßig behandelt wurde. So konnten wir die im Raum stehende Rückgabe der Immobilie abwehren.
Haben Sie außer Baurecht noch andere Hobbys? Wie erholen Sie sich vom mitunter stressigen Kanzleialltag?
Ich liebe Windsurfen. Dazu fahre ich regelmäßig an die Ostsee, auch mal nur für einen halben Tag, und stelle mich auf mein Brett. Dafür brauchen ich alle Aufmerksamkeit und es ist keine Zeit, an irgendetwas anderes zu denken. So kriege ich ganz schnell den Kopf frei und noch dazu macht es richtig Spaß.
Herr Poulsen, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Rechtsanwalt Kay Poulsen
- Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht