Einblicke in das Abenteuer Baurecht

Rechtsanwälin Kathrin Heerdt erläutert, was Einsteiger im Baurecht erwartet und wie dieses Rechtsgebiet diejenigen belohnt, die sich darauf einlassen.

Das Gürteltier

Das schrecklichste Monster des Referendariats ist das Gürteltier. Bevorzugt ist es im Zivilgericht anzutreffen, doch auch in der Anwalts- oder Wahlstation ist man vor ihm nicht gefeit. Schon sein Erscheinungsbild ist furchteinflößend: ein großes (Akten-)Ungetüm, das in seiner Fülle nur durch den namensgebenden (Akten-)Gürtel gebändigt werden kann. Wird der Gürtel gelöst, offenbart sich sein wahrer Schrecken: Paragraphendurchtränkte Schriftsätze, die es durch Rechtsanwendung zu zähmen gilt.

Eine Herausforderung, ganz gleich, welcher (Rechts-)Gattung das Gürteltier zugehörig ist. Eine Gattung scheint jedoch (nur) für echte Held:innen gemacht: die Bauakte. Sie zu besiegen erfordert auf den ersten Blick übermenschliche Kräfte, großen Mut und große Tapferkeit, um den großen Schatz – die rechtliche Lösung – zu erlangen.

Ein Rechtsgebiet (nicht nur) für Unerschrockene

Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.“ – Selbst geborene Held:innen lassen sich von solchen und anderen Satz-Ungetümen abschrecken – was natürlich eine sehr kurzsichtige Entscheidung ist. Denn diejenigen, die sich trotz oder gerade wegen solcher Sätze auf das Abenteuer Bau- und Architektenrecht einlassen, werden mit spannenden Sachverhalten, hemdsärmeligen Mandanten und einer besonderen Kollegenschaft belohnt. Nicht ohne Grund zählt die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein fast 3000 Mitglieder, die sich regelmäßig treffen, um sich auszutauschen und voneinander zu lernen. Mit dabei sind immer auch Mitglieder des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (des sogenannten „Bausenats“), um höchst selbst die Hintergründe der wichtigsten BGH-Urteile zu erläutern.

Kommunikation als Schlüssel zum Recht

Baurechtler eint vor allem eines: die Begeisterung für ein Rechtsgebiet, das so spannend und praxisnah, ja handfest ist wie kein anderes. Der eine oder die andere hat sich schon immer für das Baurecht begeistert, nicht wenige sind durch Zufall oder über Umwege dazu gekommen, sich mit bau- und architektenrechtlichen Fragen zu beschäftigen. Sie alle sind neugierig oder besser: wissbegierig. Sie wollen technische oder kalkulatorische Probleme verstehen, denn nur so können sie andere von der Richtigkeit der Ansicht „ihres“ Mandanten überzeugen. Dies erfordert vor allem eines: Kommunikation. Wer, wenn nicht der Mandant selbst, könnte besser erklären, wie Dinge am Bau funktionieren? Wo, wenn nicht auf der Baustelle oder im Planungsbüro könnte man mehr sehen und dadurch besser verstehen? Zudem haben Baurechtler gelernt, mit Worten Bilder zu malen, um eine streitbefangenen Situation bestmöglich darzustellen und in Bausachen nicht immer beschlagene Richter:innen zu überzeugen.

Einmal Baurecht – immer Baurecht

Wer sich einmal auf das Abenteuer Baurecht eingelassen hat, kommt schwer davon weg. Das erforderliche „juristische Handwerkszeug“ bringen die meisten (jungen) Jurist:innen bereits mit – oftmals, ohne es zu wissen. Ein solides Verständnis des Schuldrechtes schadet ganz sicher nicht und die Feinheiten, wie etwa die Regelungen der VOB/B oder die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, lassen sich mit ein bisschen Anleitung und Hilfe rasch solide beherrschen. Da kommt es ganz gelegen, dass die Baurechtler als die unkompliziertesten und aufgeschlossensten Vertreter:innen ihrer Zunft gelten – was wiederum nicht von ungefähr kommt. Schließlich haben sie regelmäßig mit Menschen zu tun, die trotz hoher, teilweise sehr hoher Bausummen und Streitwerte praktische Lösungen brauchen. Nahbar zu sein, einigungs- und hilfsbereit zu agieren, ist da äußerst zielführend.

Offen für den Nachwuchs

Solche und andere Erfolgsgeheimnisse vermitteln die Baurechtler auch gerne frühzeitig an den Nachwuchs. Zum Beispiel organisieren die jüngeren Kolleginnen und Kollegen in der ARGE Baurecht eine eigene Grundlagenveranstaltung, um die Scheu vor dem Rechtsgebiet mitsamt seiner unbezwingbar erscheinenden Gürteltiere zu nehmen und Dinge besser verstehen zu können. In allen Facetten, die es dazu braucht: den juristischen Grundlagen, aber auch in bautechnischen oder kalkulatorischen Fragen, der Büro- und Aktenorganisation oder in kommunikativen Fragen. Dort berichten „große Namen“, bekannt von den Buchrücken einschlägiger Standardwerke, von ihren Wegen in das Baurecht und zeigen auf, wie sich unüberschaubar scheinende, komplexe Sachverhalte in den Griff bekommen lassen. So sind die Baurechtler – ganz gleich, ob jung oder ein wenig älter – eine kooperative, eingeschworene Gemeinschaft, die sich auf Verstärkung freut. Probieren Sie es aus und lernen Sie das Baurecht schon im Referendariat ohne Schrecken und mit viel Spaß kennen.

Weitere Einblicke ins Bauercht finden Sie hier.


Der Beitrag "Das Gürteltier - Einblicke in das Abenteuer Baurecht" stammt aus dem Beck'schen Referendarführer 2021/2022, der Anfang Mai erscheint. Die Publikation richtet sich an Jura-Studierende, Referendare und Assessoren und wird ein Jahr lang über Universitäten, Buchhandlungen und Veranstaltungen verteilt. 

Rechtsanwältin Kathrin Heerdt

  • Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht
  • Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuss der ARGE Baurecht
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