Rechtsmarkt 2030: Zukunft des Baurechts

Die Zahl zugelassener Rechtsanwälte in Deutschland wächst seit Jahrzehnten. In den letzten Jahren ist die stetige Aufwärtskurve jedoch deutlich abgeflacht. Wie steht Rechtsdienstleistungsmarkt heute da? Und: Sind Anwaltskanzleien auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet? Antworten suchen wir in der ersten und einzigen Studie ihrer Art: der DAV-Zukunftsstudie „Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030“. Im Interview erläutert uns Rechtsanwalt Dr. Friedwald Lübbert die zentralen Erkenntnisse. Als DAV-Vizepräsident und Vorstandsmitglied der ARGE Baurecht hat er die Studie intensiv begleitet. Gemeinsam mit ARGE Baurecht-Vorstand Rechtsanwalt Dr. Peter Sohn wagen wir im weiteren Verlauf des Gesprächs den Brückenschlag zum Baurecht und verbinden die wesentlichen Thesen mit diesem Fachbereich.

Herr Dr. Lübbert, was sind die wesentlichen Erkenntnisse aus der DAV-Zukunftsstudie „Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030“?

Die Studie hat gezeigt, dass der Anwaltsberuf sehr konjunktur- und saisonunabhängig ist. Das ist nicht bahnbrechend aber sehr erfreulich. Des Weiteren dokumentiert die Untersuchung, dass die Zahl der Anwälte deutlich gestiegen ist. Als ich 1982 als Anwalt anfing gab es rund 35.000 Anwälte in Deutschland. Heute sind es fast 165.000. Zwar ist die Zahl der Mandate ebenfalls drastisch gestiegen, trotzdem vertritt ein Anwalt heute weniger Mandate als früher. Dieser Trend wird sich in Zukunft sicher fortsetzen, wenn auch nicht so ausgeprägt. Damit geht ein deutlicher Wettbewerbsdruck einher, was die vorliegende Untersuchung ebenfalls dokumentiert. Und schließlich unterstreicht die Studie deutlich die Relevanz einer Spezialisierung. Eine Qualifizierung als Fachanwalt verbessert die eigene Positionierung und damit verbunden die Chancen, erfolgreich in unserem wettbewerbsintensiven Markt agieren zu können. Das gilt heute und das wird auch in Zukunft gelten.

Wie würden Sie den Rechtsdienstleistungsmarkt von heute charakterisieren?

Neben dem bereits Gesagten ist heute auch die Internationalisierung ein wichtiges Stichwort. Die Rechtssetzung kommt sehr viel mehr als früher aus Brüssel. Ein Großteil der Neuerungen folgt den Vorgaben der Europäischen Union, insbesondere im Verbraucherrecht. Vor dem Hintergrund einer weiter fortschreitenden Globalisierung bis in mittelständische und kleinere Unternehmen wird auch die Mandantenstruktur immer internationaler. Und schließlich dokumentiert die Studie eine große Heterogenität der Kanzleistrukturen. Von der Großkanzlei mit einigen Hundert Partnern bis hin zu kleinen Einzelkanzleien finden Sie heute diverser Formen und Größen.

Wie sehen Sie die Zukunftsaussichten der Branche?

Nun, der Markt ist sehr wettbewerbsintensiv und unterliegt den oben ausgeführten Besonderheiten, aber insgesamt stehen wir heute gut da und bringen gute Voraussetzungen mit, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Natürlich verändert sich der Markt. Bisher ist die ‚Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten‘ unserem Berufsstand vorbehalten. Davon gibt es bereits heute Ausnahmen, die, so die Prognose, sich in Zukunft ausweiten werden. Im Zuge dessen nimmt die Bedeutung standardisierten Wissens ab. Vor allem Verbraucher werden verstärkt Internetplattformen nutzen, um Rechtsauskunft zu Standardsituationen einzuholen. Die beste Abwehrstrategie ist die bereits besprochene Spezialisierung. Darüber hinaus wird ‚Networking‘ wichtiger für Anwälte. Das gilt für Kooperationen zwischen Kanzleien, um Know-how sinnvoll zusammenzubringen oder zu ergänzen. Das gilt überdies auch für Mitgliedschaften wie sie der Deutsche Anwaltverein und die angeschlossenen Arbeitsgemeinschaften anbieten.

Welchen Einfluss nimmt der digitale Wandel auf die Anwaltschaft?

Der elektronische Rechtsverkehr und das besondere elektronische Anwaltspostfach beA werden unsere Branche prägen. Möglicherweise werden auch Gerichtstermine weniger und durch Videokonferenzen ersetzt. Auch wenn ich persönlich diese Entwicklung nicht begrüßen würde, da ich den Blickkontakt vor Ort für wichtig halte. Neben dieser Art der Kommunikation verändert sich auch das tagtägliche Arbeiten. Inzwischen gibt es jungen Kollegen, die lieber ohne Vorzimmer auskommen, ihre Schriftsätze selbst schreiben und die mit ihrem Laptop immer alles dabei haben, was sie für die Ausführung ihrer Tätigkeiten brauchen.

Inwieweit lassen sich die Erkenntnisse der Studien auf den Fachbereich des Bau- und Architektenrechts übertragen?

Lübbert: Ich bin zwar im Zivilrecht tätig, aber kein spezialisierter Baurechtler, daher nur in aller Kürze: Die Studie bescheinigt der Spezialisierung und der Fachanwaltschaft wachsende Bedeutung. Das spielt natürlich auch dem Baurecht in die Hände. Von meinen Kollegen aus dem Vorstand der ARGE Baurecht weiß ich zudem, dass gerade im Baurecht das Fachwissen nicht nur auf die juristischen Aspekte begrenzt sein sollte. Genauso wichtig sind bauwirtschaftliche Kenntnisse und bautechnisches‎ Verständnis, damit der Baurechtler oder die Baurechtlerin mit den Baupraktikern auf Augenhöhe kommunizieren kann.

Sohn: Die Untersuchung hat eine ganze Reihe spannender Aspekte dokumentiert, die für die gesamte Anwaltschaft gelten. Ein ganz zentraler ist sicherlich die bereits von Kollege Lübbert angesprochene Spezialisierung. Institutionelle Mandanten wie etwa Bauunternehmer, Generalunternehmer, Architekturbüros, Projektsteuerer, Haftpflichtversicherer und andere Auftraggeber brauchen individuelle Antworten auf hochkomplexe Fragestellungen. In aller Regel können diese nur Anwältinnen und Anwälte liefern, die im Fachbereich und in der obergerichtlichen Rechtsprechung zuhause sind und beispielsweise auch ein Schiedsverfahren sicher begleiten können.

Der Untersuchung zufolge scheint es im Rechtsdienstleistungsmarkt kaum Fachkräftemangel zu geben. Herr Dr. Sohn, wie ist das im Baurecht?

Ganz anders. Wir haben im Baurecht großen Bedarf, sowohl an nichtjuristischen Kanzleimitarbeitern als auch an anwaltlichem Nachwuchs. Zwar gibt es den oben zitierten Zahlen zufolge genug Rechtsanwälte in Deutschland, davon finden aber zu wenige ihren Weg ins Bau- und Architektenrecht. Vielleicht müssen wir hier ansetzen und bei der Personalgewinnung und -entwicklung einiges nachholen. In jedem Fall lässt sich sagen, dass die Ansprüche und Erwartungen der jungen Kollegen sich auch verändert haben. Heute spielen etwa die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine durchaus vergleichbare wichtige Rolle wie etwa hohe Einstiegsgehälter.

Wie sehen Sie die beruflichen Perspektiven für junge Baurechtler?

Gut, sogar sehr gut. Angesichts der allgemeinen politischen Lage sehen wir einer sehr positiven Entwicklung der Baubranche entgegen. Das zieht wiederum entsprechende Nachfrage in juristischer Hinsicht nach sich.

Was raten Sie jungen Baurechtlern für den Anfang ihrer Karriere?

Ich empfehle allen angehenden Juristen, sich schon frühzeitig Gedanken zu einer späteren Spezialisierung zu machen. Das Studium selbst ist so allgemein angelegt, hier müssen die Studenten schon selbst aktiv werden und während der Studienzeit Schwerpunkte setzen, etwa in Form von Praktika oder anderen Nebenjobs. Studierende sollten etwa nicht erst ein Seminar im Strafrecht besuchen, obwohl sie später gar keine Ambitionen haben, darin weiterzugehen. Hat ein Nachwuchsjurist erst einmal seinen Weg ins Baurecht gefunden, raten wir unter dem Stichwort ‚Networking‘ zu intensivem Austausch mit erfahrenen Kollegen – und natürlich zu einer Mitgliedschaft in der ARGE Baurecht.

Herr Dr. Lübbert, vielen Dank für die Kommentierung der Studienergebnisse zum Rechtsdienstleistungsmarkt 2030. Herr Dr. Sohn, vielen Dank für die Interpretation aus baurechtlicher Sicht.


Über die Studie

Im Rahmen der Studie „Rechtsdienstleistungsmarkt 2030“ im Auftrag des Deutschen Anwaltvereins konsultierte eine Unternehmensberatung über 5.000 Inhaber und Inhaberinnen von Kanzleien sowie Partner und Partnerinnen. Die Autoren stellten die DAV-Zukunftsstudie in der Schwerpunktveranstaltung des 64. Deutschen Anwaltstages am 7. Juni 2013 in Düsseldorf erstmals der Öffentlichkeit vor. Eine Zusammenfassung können Sie hier herunterladen. Weiterführende Informationen finden Sie beim Deutschen Anwaltverein