
Verhandlungen von Bausachen vor staatlichen Gerichten sind oft langwierig, teuer und führen nicht selten zu Ergebnissen, mit denen keine der beteiligten Parteien wirklich zufrieden ist. In diesem Spannungsfeld gewinnt die außergerichtliche Konfliktlösung zunehmend an Bedeutung. Die Schlichtungsausbildung nach SOBau 2020 zielt genau darauf ab: Juristinnen und Juristen ein praxisnahes Werkzeug an die Hand zu geben, mit dem sich Konflikte frühzeitig und strukturiert beilegen lassen.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der jüngsten Ausbildungsrunde im April 2025 trafen sich nicht nur zum Lernen, sondern auch, um sich auszutauschen – auf Augenhöhe und mit spürbarem gegenseitigem Respekt. Das Ergebnis: eine lebendige, kollegiale Atmosphäre, in der juristisches Handwerkszeug ebenso eine Rolle spielte wie persönliche Reflexion und berufliche Weiterentwicklung.
Zwischen Recht und Realität: Warum sich Juristinnen und Juristen für neue Perspektiven entscheiden
Rechtsanwältin Franziska Bouchard, Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht, beschreibt ihren Entschluss zur Teilnahme an der Schlichtungsausbildung mit einem gewissen Augenzwinkern: „Ein Gefühl der Ohnmacht hat mich motiviert – und zwar gegenüber der Dauer von Gerichtsverhandlungen, die meist in einer klassischen lose-lose-Situation enden.“ In Frankreich, wo sie erste Erfahrungen in der Baubranche sammelte, sei es üblich, früher zu verhandeln. Diese Haltung hat sie in ihre anwaltliche Praxis mitgenommen – und stößt damit in Deutschland häufig an Grenzen.
„Da kam mir die Schlichtungsausbildung gerade recht“, sagt sie. Und sie war neugierig auf die anderen Teilnehmenden. „Ich war gespannt auf Kollegen, die sich auf diesen Perspektivwechsel einlassen. Die auch einmal raus aus der Robe wollen.“ Ihre Erwartungen wurden nicht enttäuscht – im Gegenteil. Die Ausbildung habe es ermöglicht, einander nicht als Gegner, sondern als Kolleginnen und Kollegen zu begegnen, die andere Wege im Umgang mit Bausachen gehen wollen.
Kommunikation auf Augenhöhe
Auch für Rechtsanwalt Kay Böhme stand nicht die Schlichtertätigkeit im Vordergrund, sondern die Arbeit an der eigenen Kommunikationskompetenz: „Ich wollte vor allem Methoden mitnehmen, die mir in Verhandlungen und auch im Umgang mit Mandanten helfen – und davon habe ich eine ganze Menge bekommen.“ Die Ausbildung sei deutlich praxisorientierter gewesen als erwartet, viele Inhalte konnte er direkt auf eigene Mandate übertragen.
Besonders wertvoll war für ihn der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen: „Alle hatten ähnliche Fragestellungen aus dem Kanzleialltag dabei. Und in dieser kollegialen Atmosphäre konnte man sie offen ansprechen.“ Um auch nach dem Seminar in Kontakt zu bleiben, gründeten die Teilnehmenden gleich eine WhatsApp-Gruppe. Überdies freuen sich beide auf den Arbeitskreis Schlichtung, der zwei Mal im Jahr tagt und Schlichtungsthemen praxisnah vertieft.
Arbeitskreis Schlichtung
Der Arbeitskreis Schlichtung fördert die außergerichtliche Streitbeilegung im Baurecht. Die Treffen finden zweimal jährlich jeweils am Vortag der Baurechtstagungen statt und dienen dem Austausch und der Weiterbildung.
Aktives Zuhören und andere Aha-Momente
Ein Thema, das von beiden Teilnehmern besonders hervorgehoben wird: das aktive Zuhören. „Dadurch, dass man Gehörtes reformulieren muss, hört man automatisch viel aufmerksamer zu“, sagt Bouchard. Das sei mehr als eine Methode, es verändere die Gesprächsführung grundlegend. Auch Böhme hat diesen Punkt für sich verinnerlicht: „Ich setze das schon jetzt viel bewusster in Gesprächen ein und merke, wie sich die Dynamik verändert.“
Zu den praxisnahen Elementen zählten auch Rollenspiele, in denen die Teilnehmenden verschiedene Positionen der an einem Konflikt und seiner Lösung Beteiligten einnahmen. Für viele war das ungewohnt, aber hilfreich. „Allein dieser Perspektivwechsel hat mir einige neue Erkenntnisse für die Praxis gebracht“, so Böhme.
Im Mittelpunkt steht die Frage, wie kann ich den Konflikt für alle gesichtswahrend lösen? Das ist eine ganz andere Perspektive.
Rechtsanwalt Kay Böhme
Strukturierte Theorie, vermittelt mit Erfahrung
Zu den Stärken der Ausbildung gehörte auch die inhaltliche Ausgewogenheit. Der Einstieg sei zwar theoretisch gewesen, berichtet Bouchard, doch dank der erfahrenen Referenten sehr greifbar. Ulrich Böttger und Christian Meier hätten den Stoff anschaulich und mit konkreten Beispielen aus der Praxis vermittelt. Besonders beeindruckt habe sie aber der Mediator Christian von Baumbach. „Wie er kommuniziert, wie er Inhalte reformuliert, wie ruhig und empathisch er auftritt, das war einfach faszinierend und inspirierend zugleich.“
Ein weiteres Highlight war für Bouchard das Modell der 3 Ebenen und 9 Stufen der Konflikteskalation (1), das sie inzwischen in fast jedem Gespräch einsetze. „Es hilft mir, Konflikte klarer zu erkennen, einzuordnen und geeignete Wege aufzuzeigen, wie man sie deeskalieren kann.“ Das Modell nutze sie nicht nur zur Analyse, sondern auch zur Kommunikation mit Mandanten.
Haltung und Handwerkszeug für den Kanzleialltag
Die wohl wichtigste Erkenntnis für beide Teilnehmer: Schlichtung ist keine weichgespülte Alternative zum Gerichtsverfahren, sondern eine tragfähige Methode, die auch wirtschaftlich sinnvoll ist. „Ich versuche schon lange, Konflikte möglichst ohne Gericht zu lösen“, sagt Bouchard. „Aber jetzt habe ich dafür ein konkretes Handwerkszeug und den Mut, es noch konsequenter einzusetzen.“
Auch Böhme hat eine veränderte Haltung zur Mandatsarbeit mitgenommen: „Ich sehe meine Rolle heute weniger als Stellvertreter im Kampf, sondern mehr als jemand, der nach gesichtswahrenden Lösungen für die Beteiligten sucht, und zwar möglichst bevor alles eskaliert.“
Erkenntnisse, die nachwirken
Beide Teilnehmenden würden die Ausbildung uneingeschränkt weiterempfehlen, nicht nur als eine weitere Fortbildung, sondern als echte Erweiterung des eigenen beruflichen Repertoires. „Schlichtung ist für mich ein wichtiger Baustein, um Konflikte rechtzeitig aufbrechen zu können“, sagt Bouchard. Und Böhme bringt es auf den Punkt: „Die Ausbildung liefert Techniken, die ich ganz konkret in meiner täglichen Arbeit einsetze.“
Was bleibt, ist nicht nur neues Wissen. Es bleibt die Erfahrung, dass es auch im Baurecht möglich ist, Konflikte anders zu lösen: frühzeitig, fair und fachlich fundiert. Und es bleibt die Zuversicht, dass sich diese Haltung mit der richtigen Haltung verbreiten lässt.
Ich bin ein großer Fan und hoffe, dass die Schlichtung noch viel bekannter wird und sich als sinnvolle Methode zur außergerichtlichen Lösung von Streitigkeiten weiter durchsetzt.
Rechtsanwältin Franziska Bouchard
Vielen Dank an Rechtsanwältin Franziska Bouchard und Rechtsanwalt Kay Böhme für die diesem Beitrag zugrunde liegenden Interviews.

Franziska Bouchard
- Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht
- Schlichterin für Baustreitigkeiten

Rechtsanwalt Kay Böhme
- Immobilien-Projektentwickler (EIPOS)
- Schlichter für Baustreitigkeiten