Nach BRAO-Reform: Zusammenschluss von Juristen und Ingenieuren verändert den Markt

Rechtsanwälte und Ingenieure haben schon immer zusammengearbeitet. Seit der BRAO-Reform vom 1. August 2022 dürfen die beiden Berufsgruppen noch etwas näher zusammenrücken und gemeinsam ein Unternehmen gründen. Genau das haben Rechtsanwalt Dr. Andreas Bahner und Ingenieur Prof. Dr. Markus Viering gemeinsam mit ihren Mitgesellschaftern, Rechtsanwältin Dr. Birgit Franz und Ingenieur Matthias Linnemann, getan. Mit der schwarzBUNT GmbH bieten sie künftig juristische und technische Beratung aus einer Hand an.

Wir sprachen mit den beiden über interprofessionelle Zusammenarbeit, die Konsequenzen der Gesetzesänderung für das Marktgeschehen und die juristischen Besonderheiten einer gemeinsamen Berufsausübungsgesellschaft. Ganz nebenbei verraten sie uns noch, was hinter ihrem Firmennamen steckt.

Herr Prof. Viering, Herr Dr. Bahner, seit dem 1. August 2022 dürfen Rechtsanwälte und Ingenieure offiziell zusammenarbeiten und ein Unternehmen gründen. Kommt hier nun endlich zusammen, was zusammengehört?

Prof. Dr. Markus Viering: Ja, man kann es durchaus so ausdrücken (lacht). In der Tat haben Juristen und Ingenieure nun die Möglichkeit noch enger als zuvor zusammenzuarbeiten. Wir hatten das Thema bereits seit längeren „auf dem Schirm“, auch weil wir immer wieder von der Kundenseite danach gefragt wurden. Mittelständische Projektentwickler oder Bauherren stoßen immer wieder auf Probleme, wenn es darum geht, Schnittstellen zwischen Juristen und Baubetrieblern zu organisieren. Ein Beispiel: Schriftsätze sind juristisch, Gutachten sehr technisch gehalten. Wenn es gelingt, beides zusammenzuführen, wird vieles leichter. Ein anderes Beispiel ist der Architektenvertrag. Wenn Sie den gemeinsam erstellen, sowohl juristisch als auch technisch und baubetrieblich durchdenken, erhalten Sie ein gutes Fundament für eine reibungsarme Umsetzung des Vorhabens.

Dr. Andreas Bahner: Das sehe ich genauso. Denn die wenigsten Fragen, die sich im Zuge eines Bauvorhabens stellen, lassen sich isoliert aus der Perspektive nur einer der beiden Berufsgruppen betrachten. Dennoch ist das erst einmal der Regelfall, da jeder für sich arbeitet. Damit steigt das Risiko, dass etwas missverstanden wird und eine Eskalationskette ausgelöst wird. Wenn jedoch beide Seiten, Juristen und Baubetriebler, eine Sachlage von Anfang an gemeinsam beurteilen, können viele Details auf direktem Wege geklärt werden.

Beide Berufsgruppen haben schon immer eng zusammengearbeitet. Inwiefern verändert das neue Gesetz diese Zusammenarbeit?

Bahner: In der Tat verändert sich der Rahmen der Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen. Wo es vorher immer zwei Vertragspartner geben musste, ist heute nur noch einer erforderlich, um die Leistungen beider Berufsgruppen verbindlich zu regeln und zu beauftragen. Ein anderes Thema ist der Datenschutz. Wenn Juristen und Ingenieure gesellschaftsrechtlich organisiert sind und unter einem Dach arbeiten, entfällt der ansonsten umständlich zu regelnde Austausch von Informationen, da beide Berufsgruppen auf einen Datenpool zugreifen können und dürfen. Beide Aspekte vereinfachen die Dinge deutlich. Aber natürlich hat die Zusammenarbeit zwischen Juristen und Ingenieuren auch vorher meist gut funktioniert und wird es auch weiterhin. Allerdings kommt es mitunter vor, dass hier zwei Unbekannte aufeinandertreffen und im Zusammenspiel Reibungsverluste entstehen. Dieses Risiko entfällt, wenn beide Berufsgruppen aus einem gemeinsamen Unternehmen kommen und eingespielt zusammenarbeiten.

Viering: Kosten, Termine und Qualitäten werden als die drei „Säulen“ (oder Hauptziele) des Projektmanagements bezeichnet. Je weniger Beteiligte daran arbeiten diese Bereiche zu optimieren, desto besser. Weniger Schnittstellen reduzieren das Risiko für Missverständnisse und Informationsverluste. Häufig ist es jedoch so, dass ein Projektsteuerer die Kosten, ein anderer die Zeit und der nächste die Qualität überwacht. Interdependenzen sind dem Einzelnen dann schnell mal egal. Wenn alle Leistungen in einer Hand liegen, passiert das nicht oder zumindest seltener.

Sie haben gemeinsam die schwarzBUNT GmbH gegründet und bieten gemeinsame Leistungen an. Was ist Ihre Motivation dahinter?

Bahner: Wir sind davon überzeugt, dass wir gemeinsam und aus einer Hand echte Mehrwerte für den Kunden erzeugen können. Das wissen wir aus den Projekten, an denen wir – mit jeweils eigener Mandatierung – in der Vergangenheit bereits zusammengearbeitet haben. Die Zusammenarbeit hat auf fachlicher wie auch auf persönlicher Ebene immer ausgesprochen gut funktioniert. Wir haben uns daher schon vor der Gründung einer gemeinsamen Firma als eingespieltes Team bewährt.

Wir sind davon überzeugt, dass wir gemeinsam und aus einer Hand echte Mehrwerte für den Kunden erzeugen können.

Erzählen Sie uns Ihre Gründungsstory? Wann kam Ihnen die Idee für ein gemeinsames Unternehmen und wie hat sich das entwickelt?

Bahner: Anfang Januar 2020 war ich bei einem Mandanten in eine Fußball-Loge eingeladen. Dort traf ich auf Matthias Linnemann von KVL und wir sind ins Gespräch gekommen. Das war sozusagen die Geburtsstunde der konkreten Idee, unsere Zusammenarbeit auszuweiten und auf offizielle Beine zu stellen. Schließlich hat sich die BRAO-Reform schon lange im Voraus angekündigt und es war damit zu rechnen, dass eine gemeinsame Gesellschaft möglich werden würde. So haben wir schon lange vorher ein Konzept ausgearbeitet und sogar schon Marketing und PR vorbereitet. Die Gründung kurz nach Inkrafttreten der Reform war dann nur noch ein formaler Akt (lacht).

Welche Leistungen bieten Sie an? Was ist der Mehrwert für Ihre Mandanten?

Viering: Unser Ansatz ist es, von Anfang an projektsteuernde, baubetriebliche und juristische Leistungen aus einer Hand anzubieten. Das heißt nicht, dass wir in jedem Projekt alle Leistungen anbieten oder damit gebündelt beauftragt werden müssten. Vielmehr ist es so, dass wir in einem laufenden Projekt ab einem gewissen Punkt Leistungen aus dem Angebot von schwarzBUNT ganz unkompliziert „dazuschalten“ können, wenn wir meinen, dass sie gebraucht werden. Wenn wir etwa merken, dass ein Zeitplan nicht funktionieren kann, bringen wir das Problem nicht nur zur Sprache, sondern können es auch gleich lösen. Kunden wissen das sehr zu schätzen.

Bahner: Es geht uns vor allem darum, die bestmögliche Lösung anbieten zu können. Das funktioniert aus einer ganzheitlichen „360 Grad-Betrachtung“ einfach besser oder sagen wir leichter, als wenn alle Bereiche isoliert behandelt werden.

Was machen Sie als Unternehmen anders als Ihre Kolleginnen und Kollegen, die so wie bisher einzelmandatiert zusammenarbeiten?

Bahner: Ingenieure und Anwälte, die isoliert vom Bauherrn beauftragt werden, können ohne Frage auch sehr gut zusammenarbeiten. Aber es gibt durchaus Hemmnisse, die die Zusammenarbeit erschweren. Das beginnt schon mit ganz simplen praktischen Dingen. Wenn ich als Jurist eine baubetriebliche Frage klären muss, steht der Beantwortung der Frage ein Hindernis im Weg: Darf ich den Baubetriebler einfach anrufen? Das wäre ja der sinnvollste Weg. Aber wer zahlt diesen zeitlichen Aufwand? Die Arbeit der beiden Berufsgruppen verläuft häufig nebeneinander. Unter einem gesellschaftsrechtlichen Dach ist das anders.

Viering: Ich bin mal gespannt, wo die Entwicklung hingeht und wie etwa die öffentlichen Auftraggeber damit umgehen, dass nun Leistungen unterschiedlicher Professionen aus einer Hand angeboten und somit auch eingekauft werden können. Wenn ich das weiterdenke, dann müssten Ausschreibungen künftig anders gestrickt sein.

Die Arbeit der beiden Berufsgruppen verläuft häufig nebeneinander. Unter einem gesellschaftsrechtlichen Dach ist das anders.

Wie ordnen Sie diese Zusammenarbeit juristisch ein? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus, etwa haftungsrechtlich?

Bahner: Zunächst einmal muss eine Berufsausübungsgesellschaft, die neben anderen auch juristische Leistungen anbietet, bei der Rechtsanwaltskammer zugelassen sein. Im Gegensatz dazu gibt es für die haftungsrechtlichen Fragen bisher noch keine schlüsselfertigen, wohl aber ‚handgefertigte‘ Lösungen. Eine solche Lösung konnten wir etwa mit unserer Berufshaftpflichtversicherung erzielen. Ähnlich wie die öffentliche Hand scheint auch die Versicherungsbranche noch nicht gänzlich auf die neue Marktsituation eingestellt zu sein.

Ihr gemeinsames Unternehmen hört auf den schönen Namen schwarzBUNT. Was hat es damit auf sich?

Bahner: Der Name ist nicht etwa das Ergebnis eines spontanen Geistesblitzes. Vielmehr hat er sich über die Zeit im Team entwickelt. Ausgangspunkt war der Gedanke, dass bei der Lösung von Herausforderungen bestimmtes Fachwissen gefragt ist und das ist nüchtern betrachtet schwarz auf weiß. Bei der Entwicklung praktikabler Lösungen kommt man allein mit schwarz und weiß nicht weit. Dafür gibt es zu viele andersfarbige Bereiche. Irgendwann waren wir dann bei schwarzBUNT – und alle Beteiligten waren happy (lacht).

Viering: Bei den Aufgabenstellungen, die wir regelmäßig bearbeiten, gibt es oft kein einfaches „richtig“ oder „falsch“ – kein „schwarz“ oder „weiß“. Hierin sehen wir aber die Herausforderung: Die Grauzonen im Sinne unserer Kunden und in deren Interesse sowie im Interesse des Projekts bestmöglich zu gestalten. Hier ist Kreativität gefragt. Denn in der Regel gibt es mehrere Möglichkeiten für Lösungen. Wir suchen und entwickeln gemeinsam mit unserem Auftraggeber die beste Lösung. Insofern agieren wir BUNT.

Herr Prof. Viering, Herr Dr. Bahner, vielen Dank für das Gespräch!

Prof. Dr.-Ing. Markus G. Viering

  • Dipl.-Bauingenieur (TU)
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Dr. Andreas Bahner

  • Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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