
In diesem Jahr schlossen 18 Teilnehmende die Weiterbildung erfolgreich ab. Am 14. Juni 2024 erhielten sie ihre Abschlusszertifikate. Dies haben wir zum Anlass genommen, um mit Prof. Dr. Wolfgang Voit, Rechtsanwalt Dietmar Ludolph und Absolvent Martin Seebass, der heute als wissenschaftlicher Mitarbeiter die Zusatzqualifikation betreut, über die Besonderheiten und die weiteren Pläne der Zusatzqualifikation zu sprechen.
In der universitären Ausbildung spielt das (private) Baurecht kaum eine Rolle. Dies verwundert, weil rund 90 Prozent der vor deutschen Gerichten verhandelten Werkverträge das private Baurecht betreffen. Vor diesem Hintergrund entschloss sich ein Kreis von führenden Baurechtlern im Jahr 2004 dazu, eine Zusatzqualifikation im Privaten Baurecht unter der Leitung von Prof. Wolfgang Voit zu entwickeln und diesem mit Hilfe eines privaten Förderkreises am Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg studienbegleitend anzubieten.
Mittlerweile wurden die Aktivitäten um ein baurechtliches Masterprogramm (LLM) erweitert, das für Berufstätige aus den Bereichen Rechtswissenschaften, Architektur, Baubetriebswirtschaft oder Bauingeniurwesen gedacht ist. Viele Rechtsanwaltskammern haben dieses Programm bereits als theoretischen Teil des Fachanwaltskurses anerkannt.
Mit der Zusatzqualifikation ist ein Studienangebot entstanden, das den dringend benötigen Nachwuchs auf die komplexen und hochspezialisierten Herausforderungen der baurechtlichen Praxis vorbereitet. Das Angebot umfasst rund 70 Doppelstunden (12 Doppelstunden je Semester) und richtet sich an Studierende sowie Absolventen und Doktoranden der Rechtswissenschaften.
Das Besondere an der Zusatzqualifikation ist die Praxisnähe und die Kombination unterschiedlicher für das private Baurecht aber hochrelevanter Rechtsgebiete
sagt Prof. Dr. Wolfgang Voit, Inhaber der Professur für Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht und Wirtschaftsrecht an der Philipps-Universität Marburg.
Die Veranstaltungen beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit den praxisrelevanten Problemen des privaten Baurechts unter Berücksichtigung des Architekten-, Ingenieur- und Projektsteuerungsrecht sowie des Vergaberechts, wobei auch auf die internationalen Bezüge dieser Bereiche eingegangen wird. „Der übergreifende Ansatz spielt eine ganz zentrale Rolle. Neben den Grundlagen des privaten Baurechts behandeln wir Themen wie etwa Vertragsgestaltung, Mängel und Gewährleistung, die gerichtliche und außergerichtliche Streitbeilegung, aber auch Insolvenzrecht, Baubetriebswirtschaft oder die Besonderheiten bei Großprojekten“, erläutert Prof. Voit.
Der zweite zentrale Aspekt ist die Praxisnähe der Zusatzqualifikation. Dazu Prof. Voit: „Nehmen Sie das Beispiel Vertragsgestaltung. Das lernt man auch an der Universität ‚irgendwie‘. Aber hat man sich einmal mit dem Problem Subunternehmervertrag und Generalunternehmervertrag beschäftigt, bekommt das Ganze eine andere Dimension. Diese Verträge kann ich nicht einfach durch Verweisung aneinander koppeln, vielmehr muss ich über Schnittstellen nachdenken und die Frage der Risikoverteilung klären. Das sind genau die Fragen, die in der Praxis wichtig sind, die die Studierenden aber in der universitären juristischen Ausbildung so nicht lernen.“
Aus der Praxis für die Praxis
Den übergreifenden Ansatz wissen auch die Absolvierenden zu schätzen. Martin Seebass ist einer davon: „Eine der prägenden Erfahrungen für mich war der Blick über den juristischen Tellerrand. Je weiter der Lehrplan voranschritt, desto mehr juristische Facetten kamen dazu, die für die baurechtliche Praxis hochrelevant sind, wie etwa insolvenzrechtliche oder baubetriebliche Themen“, schildert Seebass begeistert.
Durch den Fokus auf die Praxis ist auch die Struktur des vermittelnden Stoffs eine andere als im Jura-Studium an der Universität. „Die Verjährung kommt in der Uni als letztes dran. In der Zusatzqualifikation haben wir gelernt, dass das einer der ersten Aspekte eines Anspruchs ist, der betrachtet werden muss. Ist eine zu verhandelnde Sachlage verjährt, ist sie vollkommen anders zu bewerten“, beschreibt Seebass.
Ein Blick auf die Liste der Dozentinnen und Dozenten macht deutlich, wie ernst es die Initiatoren mit dem Praxisbezug nehmen. In Marburg geben sich Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus den führenden Baurechtskanzleien des Landes sowie Richterinnen und Richter, Baubetriebler und universitäre Lehrkräfte die Klinke in die Hand. So fließt ganz automatisch jede Menge Praxiserfahrung aus erster Hand in die Vorlesungen mit ein.
Überdies kommen Lernende und Lehrende durch die kleinen Kurse und die gut strukturierte Wissensvermittlung unkompliziert miteinander in Kontakt. Davon können beide Seiten profitieren. Die Studierenden knüpfen erste Kontakte für ihre berufliche Zukunft und die Dozierenden lernen potenzielle Nachwuchskräfte kennen.
„Meinen Praktikumsplatz in einer sehr renommierten Kanzlei habe ich unter anderem deswegen bekommen, da ich den betreffenden Dozenten in der Pause direkt ansprechen konnte“, berichtet Seebass. Gleichzeitig konnte der Gefragte sicher sein, dass der künftige Praktikant von den Besonderheiten des Baurechts mindestens schon einmal gehört und sich mit ihnen sehr wahrscheinlich auch näher auseinandergesetzt hat.
Zertifikatsverleihung der Zusatzqualifikation im Privaten Baurecht an der Philipps Universität Marburg am 14. Juni 2024
Erstmals Absolvierende aus ganz Deutschland dabei
Nach erfolgreichem Abschluss der Zusatzqualifikation erhalten die Teilnehmenden ein Zertifikat, das die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich des privaten Baurechts bestätigt. Die Übergabe der Urkunden findet im Rahmen einer Feierstunde an der Philipps-Universität Marburg statt.
Die 18 Absolventinnen und Absolventen des Jahrgangs 2024 nahmen ihre Zertifikate am 14. Juni 2024 entgegen. Für die ARGE Baurecht waren Rechtsanwalt Dr. Oliver Koos, Vize-Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses, und Rechtsanwältin Franziska Pina, Mitglied in der Arbeitsgruppe junge Baurechtler, dabei.
„Wir kennen, schätzen und fördern die Zusatzqualifikation im Privaten Baurecht seit langem – nicht zuletzt, weil das Format eine wichtige Rolle in der Nachwuchsförderung im Baurecht spielt, was wiederum zu den erklärten Zielen unserer Arbeitsgemeinschaft passt. Die Themen und die inhaltliche Qualität der Abschlussarbeiten war wieder einmal sehr beeindruckend“, sagt Rechtanwalt Dr. Oliver Koos.
Obwohl die Zertifikatsverleihung jedes Jahr stattfindet, war der diesjährige Termin eine Premiere. Denn erstmals waren auch Absolventinnen und Absolventen aus ganz Deutschland dabei, denn vor drei Semestern expandierte die Zusatzqualifikation in andere Städte. Derzeit wird das Format neben Marburg inzwischen auch in Halle, Hamburg, Bremen, Kiel und Köln angeboten. Während zuhause in Marburg alle Termine in Präsenz stattfinden, sind die weiteren Standorte online dazugeschaltet. Üblicherweise gibt es eine Partnerkanzlei vor Ort, die alle Abläufe unterstützt und auch Räumlichkeiten für persönliche Treffen und gemeinschaftliches Online-Lernen bereitstellt.
Gemeinsam für den Nachwuchs im Baurecht
Das Format der Zusatzqualifikation hat sich über die Jahre erfolgreich etabliert und entwickelt sich stetig weiter. Gleichzeitig steht das Format wirtschaftlich immer wieder vor einigen Herausforderungen.
Das wirtschaftliche Rückgrat bildet der 2004 gegründete Verein zur Förderung von Forschung und Lehre im privaten Baurecht an der Philipps-Universität in Marburg e.V. Alle Aktiven des Fördervereins – darunter Prof. Stefan Leupertz als 1. Vorsitzender – engagieren sich ehrenamtlich. Auch die Universität Marburg unterstützt den Verein in Form von personellen Ressourcen.
„Um den eingeschlagenen Kurs der Zusatzqualifikation verfolgen zu können, benötigen wir weitere Unterstützung“, sagt Rechtsanwalt Dietmar Ludolph, Schatzmeister des Fördervereins.
„Wenn Sie etwas für den Nachwuchs im Baurecht tun wollen, werden Sie jetzt Mitglied im Förderverein. Wenn das nicht in Frage kommt, dann empfehlen Sie die Zusatzqualifikation aktiv weiter, schicken Sie uns Ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter und Referendare und vor allem: erzählen Sie in Ihrem Netzwerk davon."
Gemeinsam können wir viel für das Baurecht in Deutschland tun und dafür sorgen, dass wir qualifizierten Nachwuchs erhalten
unterstreicht Rechtsanwalt Ludolph.
Verein zur Förderung von Forschung und Lehre im privaten Baurecht an der Philipps-Universität in Marburg e.V.
Unterstützen Sie den baurechtlichen Nachwuchs und werden Sie Mitglied im Förderverein.
Natürliche Personen können für 100 Euro Jahresbeitrag Mitglied werden, Kanzleien oder Bauunternehmen für 500 Euro.
Inhalt und Aufbau der Zusatzqualifikation
Die Zusatzqualifikation Privates Baurecht ist praxisnah und umfassend gestaltet. Sie besteht aus mehreren Modulen, die verschiedene Aspekte des privaten Baurechts abdecken. Diese Module beinhalten unter anderem:
Grundlagen des privaten Baurechts:
- Einführung in das Baurecht
- Wichtige Gesetze und Verordnungen
- Vertragsrechtliche Grundlagen
Vertragsgestaltung und -management:
- Arten von Bauverträgen (z.B. VOB/B-Verträge, BGB-Bauverträge)
- Vertragsklauseln und ihre Auslegung
- Nachtragsmanagement und Vertragsänderungen
Mängel und Gewährleistung:
- Mangelbegriff und Mangelhaftung
- Rechte und Pflichten der Vertragsparteien
- Gewährleistungsfristen und deren Verlängerung
Bauprozessrecht:
- Verfahrensrechtliche Grundlagen
- Gerichtliche und außergerichtliche Streitbeilegung
- Schiedsverfahren und Mediation im Baurecht
Baurechtliche Besonderheiten:
- Öffentlich-rechtliche Aspekte des Bauens
- Schnittstellen zwischen privatem und öffentlichem Baurecht
- Besonderheiten bei Großprojekten
Kontakt
Fragen zur Zusatzqualifikation
Prof. Dr. Wolfgang Voit
Tel.: 06421 / 2821712
E-Mail: baurecht@jura.uni-marburg.de
Fragen zum Masterprogramm
Studiengangskoordinatorin Sabrina Kromberg (LLM)
Sabrina.kromberg@jura.uni-marburg.de
06421 28 23109
www.baurecht-master.de
Fragen zum Förderverein
Rechtsanwalt Dietmar Ludolph
(Schatzmeister)
Tel.: 0211-1664699
E-Mail: dietmar.ludolph@ludolph.legal
Fragen zur Organisation
Martin Seebass
Tel.: 06421 28 23170
E-Mail: baurecht@staff.uni-marburg.de