Das Baulandmobilisierungsgesetz – „Kraftstoff“ für die Bauwirtschaft?

Am 23.06.2021 ist das „Baulandmobilisierungsgesetz“ in Kraft getreten, mit dem das Baugesetzbuch und die Baunutzungsverordnung wesentlich geändert wurden. Dies war überfällig, da sich die jüngste Novelle des Städtebaurechts bereits auf den Regelungsauftrag des Koalitionsvertrages vom 12.03.2018 gründet. Dieser sah vor, dass die Kommunen bei der Aktivierung von Bauland und bei der Sicherung bezahlbaren Wohnraums unterstützt werden sollen.

Den Gesetzentwurf bezeichnete der Bundesinnenminister in seiner Presseerklärung vom 04.11.2020 gar als „Meilenstein der Wohnungspolitik“. Mit dem Baulandmobilisierungsgesetz solle der Bauwirtschaft als „Motor unserer Volkswirtschaft neuer Kraftstoff“ gegeben werden. Vor allem aber weitet das Gesetz die staatliche Regulierung und die damit verbundenen Rechtseingriffe in die Immobilienprojektentwicklung zulasten privater Bauherren aus. Sind mit dem „Baulandmobilisierungsgesetz“ trotzdem auch Chancen für die Bauwirtschaft verbunden?

Ausweitung kommunaler Vorkaufsrechte

Zuerst handelt es sich bei dem Baulandmobilisierungsgesetz um ein Baulandbeschaffungsgesetz. Die Fälle, in denen Gemeinden bei Grundstücksverkäufen ein kommunales Vorkaufsrecht auf Grundlage des Baugesetzbuches (BauGB) ausüben können, werden ausgeweitet (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Nr. 8, § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB). Zudem haben die Gemeinden nun drei (statt bislang zwei) Monate Zeit, ein Vorkaufsrecht auszuüben.

Vorkaufsrechte bestehen jetzt beispielsweise auch in Gebieten, für die ein (städtebaulicher oder auch nur anlagenbezogener) Missstand vorliegt und die Grundstücke dadurch erhebliche nachteilige Auswirkungen auf das soziale oder städtebauliche Umfeld aufweisen – gemeint sind „Schrott-Immobilien“. Die Gemeinden können zudem Satzungen für Gebiete mit unbebauten oder brachliegenden Grundstücken erlassen, für die dann Vorkaufsrechte ausgeübt werden können. Voraussetzung für dieses neue Vorkaufsrecht ist aber, dass dieses Gebiet zugleich ein „Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt“ ist.

Achtung: Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten

Nicht nur aus diesem Grund müssen Private ab jetzt unbedingt darauf achten, ob ihr Grundstück in einem „Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt“ liegt (§ 201a BauGB).

Solche Gebiete werden von den Landesregierungen durch Rechtsverordnung bestimmt. In diesen Gebieten kann neben Vorkaufsrechten und Baugeboten vor allem das Umwandlungsverbot zur Anwendung kommen. Ein „Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt“ liegt vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Gemeindeteil zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist – dies wird beispielsweise das gesamte Land Berlin betreffen.

Diese neue städtebauliche Gebietskategorie als Grundlage zahlreicher möglicher staatlicher Rechtseingriffe wird ab jetzt Teil jeder öffentlich-rechtlichen Due Diligence sein müssen. Der Gesetzgeber hat die Geltungsdauer der Rechtsverordnung zunächst bis 31.12.2026 befristet. Damit bleibt es dem neuen Bundestag überlassen, über die Verlängerung dieses grundrechtsrelevanten Eingriffsinstrumentariums zulasten der Eigentums- und Baufreiheit zu entscheiden.

Das „Umwandlungsverbot“

Zuletzt drohte das Baulandmobilisierungsgesetz am sogenannten „Umwandlungsverbot“, welches im Gesetzgebungsverfahren bis zuletzt höchst umstritten war (und noch ist), zu scheitern. Für ein „Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt“ kann von den Landesregierungen durch Rechtsverordnung zugleich – allerdings befristet bis 31.12.2025 – die Bildung von Wohnungseigentum einer Genehmigungspflicht unterworfen werden. Bei Wohngebäuden, die bereits am Tag des Inkrafttretens der Rechtsverordnung bestanden, bedürfen die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum einer Genehmigung. Für Neubauten gilt die Genehmigungspflicht also nicht.

Für bestehende Wohngebäude mit nicht mehr als fünf Wohnungen gilt diese Genehmigungspflicht zwar bundesgesetzlich ebenfalls nicht. Die Landesregierungen können aber eine abweichende Anzahl von Wohnungen zwischen 3 und 15 bestimmen. Wenn auch § 250 BauGB einigermaßen verharmlosend mit „Bildung von Wohnungseigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten“ betitelt wird, handelt es sich in der Sache gleichwohl um ein „Umwandlungsverbot“, da eine Genehmigung nur noch unter ganz engen Voraussetzungen erteilt werden wird. So ist eine Genehmigung beispielsweise nur zu erteilen, wenn das Wohnungs- oder Teileigentum zur eigenen Nutzung an Familienangehörige des Eigentümers oder zur eigenen Nutzung an mindestens zwei Drittel der Mieter veräußert werden soll.

Selbst wenn keine Genehmigungspflicht für eine Umwandlung in einem „Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt“ besteht, kann eine solche immer noch aufgrund der Lage des Wohngebäudes in einem „Gebiet zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung“ (soziales Erhaltungsgebiet, sogenannter „Milieuschutz“, § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB) erforderlich sein.

Der Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung

Als „Kernstück“ der jüngsten Städtebaurechtsnovelle wird der „Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung“ angesehen (§ 9 Abs. 2d BauGB). Mit diesem auf den Sektor „Wohnen“ beschränkten Bebauungsplan soll „schnell und einfach“ der unbeplante Innenbereich (nur) für die Errichtung von Wohngebäuden überplant werden können. Nur scheinbar vermittelt dieses Instrument den Eindruck, dies wäre für private Grundstückseigentümer, Entwickler und Investoren ausschließlich günstig.

Zu bedenken ist, dass mit der Überplanung dem Grundstückseigentümer das bestehende Baurecht des unbeplanten Innenbereichs „weggenommen“ wird.

Außerdem ist zu erwarten, dass die Aufstellung eines „Bebauungsplanes zur Wohnraumversorgung“ mit dem Abschluss eines städtebaulichen Vertrages zur Umsetzung eines sozialen Baulandmodells verbunden wird, um mit Mietpreis- und Belegungsbindungen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen – eines der Hauptanliegen des Gesetzgebers. Letztlich ist für die Rechtspraxis nicht zu erwarten, dass allein die inhaltliche Beschränkung auf den Sektor „Wohnen“ zu „schnelleren und einfacheren“ Bebauungsplänen führt. Gemeindepolitik und fehlende Verwaltungskapazitäten sowie das behördliche „Das haben wir schon immer so gemacht“ werden leider entscheidend bleiben.

Erleichterungen für Befreiungen

Die Lage eines Grundstückes in einem „Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt“ kann aber auch ihr Gutes haben. Sollte in diesem Gebiet ein Bebauungsplan bestehen, kann von dessen Festsetzungen – insbesondere zur Erhöhung des Nutzungsmaßes – unter erleichterten Voraussetzungen zugunsten des Wohnungsbaus eine Befreiung erteilt werden. Bislang durfte eine Befreiung nicht die „Grundzüge der Planung“ berühren. Auf diese Voraussetzung wird nun verzichtet (§ 31 Abs. 3 BauGB). Ausdrücklich werden zudem die „Wohnbedürfnisse der Bevölkerung“ als Rechtfertigungsgrund für eine Befreiung genannt.

Nutzungsmaße nur noch „Orientierungswerte“

Der Bauherr will maximale Geschossfläche, maximale Baumasse. § 17 Abs. 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO) setzte diesem nachvollziehbaren Wunsch bislang allerdings „Obergrenzen“, die grundsätzlich nicht überschritten werden durften. Regelmäßig streiten sich Vorhabenträger und Plangeber in Bebauungsplan-Aufstellungsverfahren um das festzusetzende Nutzungsmaß oder Bauantragsteller und Genehmigungsbehörde um eine Befreiung zur Erhöhung dessen.

Im Interesse der „Flexibilisierung“ der Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung werden die bisher geltenden „Obergrenzen“ mit dem Baulandmobilisierungsgesetz nur noch als „Orientierungswerte“ ausgestaltet. Diese Änderung soll insbesondere Nachverdichtungen erleichtern. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie „flexibel“ die Baubehörden im Einzelfall mit den nun möglichen „Orientierungswerten für Obergrenzen“ tatsächlich umgehen werden. So erfreulich die vom Gesetzgeber gewollte „Flexibilisierung“ auch ist: Die Obergrenzen selbst, an denen sich zu „orientieren“ ist, wurden nicht geändert. So weit reichte der gesetzgeberische Mut dann doch nicht.

Das „Dörfliche Wohngebiet“

Nachdem mit der Städtebaurechtsnovelle 2017 das „Urbane Gebiet“ (§ 6a BauNVO) als neue Baugebietskategorie eingeführt wurde, in dem variable Nutzungsmischungen, vergleichsweise hohe Nutzungsmaße und tagsüber höhere Lärmgrenzwerte zulässig sind, führt das Baulandmobilisierungsgesetz mit dem „Dörflichen Wohngebiet“ (§ 5a BauNVO) ein weiteres neues Baugebiet ein. Das Dörfliche Wohngebiet soll dem Wohnen sowie der Unterbringung von land- und forstwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen und nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben dienen. Wie im Urbanen Gebiet auch, muss die Nutzungsmischung nicht gleichwertig sein.

Weitere Regelungen

Neben diesen bedeutsamsten Neuregelungen hat der Gesetzgeber beispielsweise noch hervorgehoben, dass die Aufstellung von Bebauungsplänen insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen kann (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB), und den Katalog der Festsetzungsmöglichkeiten eines Bebauungsplanes um „Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge“ (§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB) und „Naturerfahrungsräume“ (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB) ergänzt. Bis 31.12.2022 können Außenbereichsflächen für Wohnnutzung im „beschleunigten Verfahren“ überplant werden (§ 13b BauGB).

Demgegenüber hat der Gesetzgeber das im Referentenentwurf noch vorgesehene Ersatzgeld für naturschutzrechtliche Eingriffe im Fall der Aufstellung eines Bebauungsplanes nicht mehr geregelt.

Fazit

Den vom Bundesinnenminister zitierten „Kraftstoff“ liefert das Baulandmobilisierungsgesetz der Bauwirtschaft sicherlich nicht. Ziel und Zweck des Gesetzes ist es zuallererst, den Gemeinden Instrumente an die Hand zu geben, (bezahlbaren) Wohnraum zu schaffen – von der Baulandbeschaffung über das Aufstellen von Sektor-Bebauungsplänen bis zur Genehmigungspflicht der Bildung von Wohnungseigentum. Selbst dabei erscheint das „Sammelsurium“ neuer Regularien und Rechtseingriffe uninspiriert und mutlos. Grundlegenden Themen, die schon seit Jahrzehnten einer Lösung bedürfen, wie das der Bewältigung von Immissionsschutzkonflikten in der Planung, wurden überhaupt nicht angepackt.

Das Baulandmobilisierungsgesetz sollte aber auch nicht voreilig kaputtgeredet werden. Zugunsten privater Grundstückseigentümer, Entwickler oder Investoren kann ein „Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung“ durchaus schnell und einfach Baurecht schaffen oder können bloße „Orientierungswerte“ für das zulässige Nutzungsmaß die Nachverdichtung erleichtern. Entscheidend aber wird bleiben, mit welchem Elan und mit welchem Mut nun die Gemeindepolitik und vor allem die Gemeindeverwaltung mit ihren stark begrenzten Ressourcen die Regelungen des Baulandmobilisierungsgesetzes umsetzen. Ohne Beteiligung der privaten Bauwirtschaft wird das Gesetz jedenfalls wirkungslos bleiben.

Rechtsanwalt Dr. Frank-Florian Seifert

  • Fachanwalt für Verwaltungsrecht
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