Baurechtler zurückhaltend gegenüber Digitalisierung

Wolters Kluwer untersuchte aktuell die Arbeitsweise von Baurechtlern in Deutschland. Dazu führte der Informationsdienstleister eine Umfrage unter 100 baurechtlich spezialisierten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten durch, die vor allem in mittelgroßen Sozietäten tätig sind. Neben den sehr klassischen Fragen zur Büroorganisation und Recherche ging es auch darum herauszufinden, wo Baurechtler selbst ein Potential für eine Verbesserung ihrer Arbeitssituation sehen. Das Bild, das hierbei entstanden ist, ist nicht frei von Widersprüchen.

Der Umfrage zufolge sehen Baurechtler in Deutschland bislang nur zurückhaltend neue Chancen in der Digitalisierung. RVG-Mandate überwiegen leicht gegenüber Mandaten auf Stundenbasis. Das große Potenzial der Digitalisierung für eine Verbesserung der Effizienz gerade dieser pauschal vergüteten Mandate schöpfen die Kanzleien noch nicht aus. Die Umfrage förderte auch die Besonderheiten baurechtlicher Mandate zutage. Lediglich jedes fünfte Mandat (22 Prozent) wird im ersten Jahr der Bearbeitung abgeschlossen, das Gros im zweiten Jahr und länger als zwei Jahre laufen immer noch ein knappes Drittel (29 Prozent) der bearbeiteten Mandate. Das liege dem Vernehmen nach vor allem an der Komplexität der Fälle. Gut ein Viertel der Befragten (26 Prozent) gab an, dass bis zu 100 Prozent ihrer Mandate eine hohe Komplexität aufweisen. Ein weiteres starkes Viertel (27 Prozent) bezeichnete bis zu drei Viertel ihrer Fälle als komplex, während fast die Hälfte (45 Prozent) der befragten Baurechtler höchstens die Hälfte ihrer Mandate als komplex beschreibt. Einen Vergleich mit Verkehrsrechtsmandaten möchte man hier gar nicht erst ziehen, aber auch im Vergleich zu Wirtschaftsrechtsmandaten haben Baurechtsmandate „von Natur aus“ eine hohe Komplexität.

Gerade bei diesen hochkomplexen Mandaten greifen Baurechtler in der Regel nur auf Standardsoftware zur Bewältigung ihrer Aufgaben zurück. Buchhaltung, Mandatsverwaltung und Dokumentenerstellung wurden in der Umfrage an erster Stelle genannt, wenn es um die Unterstützung der Tätigkeiten durch Software geht. Dabei scheint es sich bei der Unterstützung der Dokumentenerstellung regelmäßig nur um eine Unterstützung durch Textverarbeitungs- und Diktierprogramme zu handeln. Das ergibt sich daraus, dass in 59 Prozent der Fälle Schriftsätze sehr häufig oder häufig durch Diktat mit Abschrift erstellt werden und in weiteren 30 Prozent der Fälle durch Diktieren mit Spracherkennungssoftware. Zugleich ist fast die Hälfte der Befragten nicht an einer weiteren Software interessiert, die bei der Dokumentenerstellung unterstützt.

Dabei liegen die größten Arbeitsschwerpunkte von Baurechtlern in der Kommunikation mit dem Mandanten, der Sachverhaltserfassung und der Dokumentenerstellung. Bereits deutlich weniger häufig findet die Recherche statt, es folgen wiederum Kommunikationsthemen (mit dem Gegner und dem Gericht). Gleichwohl ist Recherche das Thema, bei dem die meisten Befragten sich eine weitergehende Softwareunterstützung wünschen als sie bisher schon vorhanden ist.

Entwicklungspotenzial von RVG-Mandaten

Es tut sich hier ein spannender Widerspruch auf. Ein großer Anteil der Mandate wird auf RVG-Basis bearbeitet, damit ist die Vergütung pauschaliert. Zugleich liegen in Kommunikation und Schriftsatzerstellung die Schwerpunkte der anwaltlichen Tätigkeit. Gleichwohl sieht die Mehrheit der Anwälte nur ein geringes Potential in der weiteren Unterstützung ihrer Arbeit durch Software.

Ein Grund könnte darin liegen, dass die isolierte Implementierung einer weiteren Lösung mit ihren ganz eigenen Workflows eher als Störfaktor in etablierten Arbeitsprozessen denn als Gewinn wahrgenommen wird. Ein holistischer Ansatz, der komplette Arbeitsabläufe in den Blick nimmt, könnte die Potentiale neuer Lösungen besser für die Anwälte nutzbar machen.

Über die Umfrage

Teilgenommen haben 100 Anwältinnen und Anwälte mit Schwerpunkt Baurecht. 87 Prozent der Befragten sind männlich, 13 Prozent weiblich. Das Durchschnittsalter der Befragten lag bei 51,6 Jahren, die durchschnittliche Zugehörigkeit zur Anwaltschaft lag bei 22,1 Jahren. In 92 Prozent der Fälle wurde ein Partner oder der Inhaber der Kanzlei befragt.

Die überwiegende Mehrheit der 100 befragten Anwälte ist in mittelgroßen Kanzleien tätig, die nur einen Standort haben. Im Schnitt arbeiten dabei 5,5 Anwälte am Standort, von denen zwei auf baurechtliche Mandate spezialisiert sind. Immerhin aber ein Drittel der Anwälte arbeitet in Kanzleien mit mehr als einem Standort. Bei der Hälfte der Befragten wurden in der Kanzlei lediglich bis zu 100 Baurechtsmandate im Jahr bearbeitet.

Das Ergebnis lässt eine grobe Teilung der Baurechtler in zwei Gruppen zu. Die eine betreibt ganze Referate oder Kanzleien mit baurechtlicher Spezialisierung, in der anderen ist das Baurecht nur eines von mehreren Themen.